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Vaterschaftsurlaub | SichtWeisen | Foto von Josh Willink von Pexels

Plädoyer für den Vaterschaftsurlaub

«Liberté! Égalité! Fraternité!», so tönte es in den Strassen Frankreichs bei der Revolution 1789. Die Rufe nach Gleichheit hallen dieser Tage oft in den Strassen aller Länder wider. Die Proteste setzen sich unter anderem für die Gleichstellung von Frauen ein. Doch es gibt auch Männerthemen, die einer Gleichstellung bedürfen. Eines ist der bezahlte Vaterschaftsurlaub. Hier muss sich etwas bewegen, denn dieser betrifft nicht nur Väter, sondern uns alle – Frauen wie Männer.

Die Regelungen zum Vaterschaftsurlaub gleichen in Europa einem Flickenteppich: jedes Land hat andere Regelungen und Systeme zur Einbindung des Vaters in die Betreuung des neugeborenen Kindes. Was die meisten Länder allerdings gemeinsam haben, ist, dass der Vaterschaftsurlaub – falls überhaupt vorhanden – im Vergleich zum Mutterschaftsurlaub recht spärlich ausfällt. Dies hat mehrere legitime Gründe, und trotzdem sollte die Rolle des Vaters in der Betreuung und Erziehung des Kindes mehr wertgeschätzt werden. Dafür brauchen Väter einen umfassenden, bezahlten Vaterschaftsurlaub, damit auch sie nach der Geburt die Beziehung zum Kind intensiv pflegen können.

Der Weg zur echten Gleichstellung

«Auch ich will Mutterschaftsurlaub!», forderte Uli Hoffmann schon 1984 in einer Verfassungsklage in Deutschland (sie wurde abgelehnt). Seitdem hat sich in der dortigen Familienpolitik einiges getan. Wie es auch in Österreich der Fall ist, wurde eine unbezahlte Elternzeit für beide Elternteile eingeführt, und die Berechtigung auf das Elterngeld wurde auf Mutter oder Vater erweitert. Doch von einem Elternurlaub, der zwischen den Elternteilen aufgeteilt werden kann, wie es Hoffmann forderte, sind wir in Europa noch weit entfernt. Es wurde im Europaparlament schon kontrovers diskutiert, ob zehn Tage Vaterschaftsurlaub gewährt werden sollten. Die Annahme dieser Vorlage zeigte, dass es durchaus erfolgreiche Vorstösse in diesem Bereich gibt.

Kein Tangieren des Mutterschaftsurlaubs

Die Forderungen nach dem Vaterschaftsurlaub sollen allerdings nicht den Mutterschaftsurlaub tangieren. Was einem liberalen und gleichberechtigten Gesellschaftsverständnis am nächsten kommt, ist eine flexible Aufteilung der Elternzeit mit einer Pflichtzeit für die Mutter. So können Familien eigenständig entscheiden, welches Modell für sie am besten passt, ohne dass sich der Staat in die Familienplanung zu sehr einmischt.

In der Schweiz wird demnächst über einen zweiwöchigen bezahlten Vaterschaftsurlaub abgestimmt. Auch wenn dies noch keine perfekte Lösung ist, würde die Annahme der Vorlage dennoch zeigen, dass sich das Gesellschaftsbild des Vaters dort ebenfalls verändert hat. Bis eine echte, gleichberechtigte Familienpolitik auf den Tisch kommt, wird es wohl noch etwas dauern. Doch bis dahin sollen die Rufe nach Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit an die Dringlichkeit des Themas erinnern.

Service-Box

Für weitere Informationen bezüglich dieses Themas wird die Lektüre der Leseprobe dieses Buches empfohlen: «Die moderne Rolle des Vaters in der Familie: Zwischen eigenen Erwartungen und normativen Ansprüchen»

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Patrick Louis

Patrick Louis (21) kommt aus der Schweiz, ist aber in verschiedenen europäischen Ländern aufgewachsen. Daher interessiert ihn die internationale Kooperation im Bodenseeraum besonders. Für SichtWeisen greift er regionale Themen mit überregionalem Hintergrund auf.

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