In den Mitgliedsstaaten der OECD1 leben 12,5 % der über 65-Jährigen in relativer Einkommensarmut (Einkommen geringer als 50 % des nationalen Medianeinkommens). Allerdings gehen die Zahlen von Land zu Land weit auseinander. Während beispielsweise Korea mit 46 % den OECD-Schnitt nach oben treibt, ist die Altersarmut in den meisten Mitgliedsstaaten ein quantitativ geringeres Problem als die Armut der Durchschnittsbevölkerung. In den an den Bodensee grenzenden Staaten zeichnet sich diesbezüglich ein interessantes Bild ab. Die Zahlen für Deutschland und Österreich zeigen, dass Armut dort bei der älteren Bevölkerung in etwa gleich wahrscheinlich ist wie bei der Gesamtbevölkerung. In der Schweiz hingegen sind Menschen über 65 überproportional stark betroffen. Während etwa 10 % der Gesamtbevölkerung einkommensarm sind, beträgt diese Zahl bei älteren Menschen fast das Doppelte.
Wer ist am stärksten betroffen?
Innerhalb der Gruppe von über 65-Jährigen lassen sich ausserdem altersbedingte Unterschiede in Bezug auf Armut beobachten. Bei den Älteren, also bei den über 75-Jährigen, ist das Armutsrisiko höher als bei der darunterliegenden Altersgruppe. In der Schweiz ist fast ein Viertel dieser Altersgruppe betroffen. Dieser Umstand ist besonders in Anbetracht der steigenden Lebenserwartung nicht zu vernachlässigen. In der Schweiz hat jene in den letzten 20 Jahren bei den Männern um 5 und bei den Frauen um 3 Jahre zugenommen – in den anderen Staaten, die an den Bodensee grenzen, gibt es ähnliche Trends. Die Zahl der Ältesten und damit die Zahl der potenziell von Altersarmut Betroffenen nimmt hier also konstant zu. Ausserdem fällt es älteren Menschen aufgrund ihrer schwindenden Kräfte und mangelnden Perspektiven oft schwerer, aus der Armut zu entfliehen. Auch das Geschlecht spielt eine Rolle bei der Altersarmut. Alte Frauen sind statistisch gesehen in allen erfassten Staaten stärker betroffen, vor allem wenn sie allein leben, was aufgrund des früheren Todes ihrer Lebenspartner häufig vorkommt.
Altersarmut geht alle an
Auch heute schon werden jüngere Menschen mit der Altersarmut konfrontiert, nämlich indem sie sich Sorgen machen, später von ihr betroffen zu sein. Bei einer Allensbach-Studie gaben 60 % der Befragten zwischen 30 und 59 an, Angst vor finanziellen Unsicherheiten im Alter zu haben. Altersarmut geht also nicht nur die älteren Menschen etwas an. Die in diesem Artikel angegebenen Zahlen zeigen, dass auch in den Staaten um den Bodensee der Bedarf besteht, einerseits der aktuellen Altersarmut mit schnellen Massnahmen zu begegnen und andererseits auf die Ängste der jüngeren Bevölkerung einzugehen und zukunftsfähige Lösungen zu erarbeiten, die eine drohende Verschlimmerung des Problems verhindern. Bestehende Organisationen wie die Internationale Bodenseekonferenz oder die Senior*innen Plattform Bodensee veranstalteten in der Vergangenheit bereits Informationsevents zum Thema und legten den Grundstein für eine potenziell stärkere regionale Kooperation im Bodenseeraum.
1 Die genauen Zahlen zur Altersarmut schwanken je nach Definition und Rechenmethode. Für den hier vorgenommenen Ländervergleich wurden die Daten der folgenden Quelle verwendet: OECD (2018), Renten auf einen Blick 2017: OECD- und G20-Länder – Indikatoren, OECD Publishing, Paris. https://doi.org/10.1787/pension_glance-2017-de