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Digitalisierung: Mit Apps Corona eindämmen; Photo by Yura Fresh on Unsplash

Apps erweitern, Corona eindämmen

Wohl kaum eine andere technische Innovation prägt das 21. Jahrhundert so, wie es Smartphones tun. Doch das, was Smartphones wirklich smart macht, sind Apps. Softwares und Programme, die das Leben vereinfachen und miteinander verbinden. Auch die aktuelle Situation rundum Corona bietet Potenzial für Apps als Lösungshilfen. Wir wollen drei mögliche Ansätze betrachten und überlegen, was der Einsatz solcher Apps für die Zukunft bedeuten könnte.

Nicht nur in rechtlichen und gesundheitlichen Belangen werden Maßnahmen abgewogen und erarbeitet – auch im Bereich der Digitalisierung wird mittels verschiedener Apps an Möglichkeiten geforscht, wie man der aktuellen Gesundheits- und Rechtssituation gerecht wird. Laut EU-Kommission arbeiten derzeit Wissenschaftler in 14 europäischen Ländern daran, wie Apps bei der Eindämmung helfen können und welche Richtlinien dafür gelten sollen. Die EU-Kommission spricht sich im Rahmen ihrer vorgestellten „Toolbox“ klar für die Freiwilligkeit des Benutzens solcher Applikationen und das Prinzip des Tracings, anstatt des Trackings, aus.

Tracing-Apps als Kontakttagebuch

Zum einen sind also sogenannte „Tracing Apps“ im Spiel. Sie sollen aufzeichnen, wem der Nutzer nahekommt, aber nicht, wo sich der Nutzer befindet. Im Beispiel der „Stopp Corona“ App des Roten Kreuz in Österreich werden mittels Bluetooth, Ultraschall über das Mikrofon, und WLAN, die für die App benötigen Daten gesammelt. Das Kontakt-Tagebuch erfasst persönliche Begegnungen durch das Smartphone mit anderen Smartphones und speichert diese anonym. Automatisch werden Personen benachrichtigt, die in den letzten 54 Stunden Kontakt zu einem Covid-19 Erkrankten hatten. Diese Personen werden gebeten sich zu isolieren und ihren Hausarzt zu kontaktieren. Eine Telefonnummer wird dann ausschließlich für 30 Tage zentral gespeichert, wenn eine Infektion gemeldet wird. Andernfalls gibt es einmalig eine einzigartige Nutzerkennung, diese ist jedoch nicht mit anderen Daten verknüpft. Datenschutz ist seitens des Roten Kreuz das größte Anliegen – der Quellcode für die Nachvollziehbarkeit der Programmierung wurde veröffentlicht.

Früherkennung durch große Datensätze und Algorithmen

Einen anderen Ansatz untersuchen Wissenschaftler der Universität Cambridge. Ein Team aus Wissenschaftler rund um Cecilia Mascolo hat festgestellt, dass bei Corona-Infizierten ein ähnliches Muster beim Sprechen und Luftschnappen sowie ähnliche Intervalle bei Atemmuster zu erkennen sein könnten. Allerdings wird eine große Menge an Datensätzen benötigt, um entsprechende Algorithmen zu entwickeln, die zur Früherkennung verwendet werden können. Um so viele Datensätze wie möglich zu sammeln, hat die Universität Cambridge eine Website eingerichtet. Darüber können Geräuschproben abgegeben werden.

App als „Immun-Nachweis“ und erweiterter Passport

Das dritte Konzept beschäftigt sich mit der Frage, wie Personen zukünftig einfach und schnell nachweisen können, dass sie immun sind, also beispielsweise für den Weg auf die Arbeit, den Besuch beim Arzt oder einen Grenzübergang. Dazu forscht unter anderem die Staatsdruckerei in Österreich gemeinsam mit ihrem Tochterunternehmen youniqx Identity AG für die App „Restart.ID“. Über das Smartphone soll die Identität, verknüpft mit der vorhandenen Immunität gegen das Virus, belegt werden können. Durch den Chip im Reisepass soll die App die personenbezogenen Daten anzeigen können, mittels QR-Codes sollen ärztliche Atteste eingelesen werden.

Big Data und Big Possibilities

Sobald mit personenbezogenen Daten als Big Data gearbeitet werden will, stellt der Datenschutz eine der großen Hindernisse für App-Entwickler da. Generell verweist die kritische Meinung darauf, dass eine Umsetzung etwaiger Apps die Grundrechte angreifen könnte. So gibt es den Einspruch, dass „Tracing“ Apps die Tür zu einem Überwachungsstaat öffnen. In Bezug auf die „Restart.ID“ App könnte die Gefahr entstehen, dass Menschen diskriminiert werden, weil sie nachweislich infiziert oder vice versa nicht nachweislich immun sind. Hauptziel für die Apps bleibt die Infektionskette zu verlangsamen und das Gesundheitssystem zu entlasten. Es ist bedeutsam, welche Möglichkeiten die moderne Technologie schafft, mittels Digitalisierung schnelle und vernetzte Systeme hervorzubringen.

Wo vorher keine Rahmenbedingungen gegeben waren, wird in einem globalen Notstand wie jetzt die Tür für Alternativen geöffnet. Beispielsweise lassen verschobene Wahlen um und in Österreich die Frage zu, ob diese in der uns bekannten Form durchführbar sind. Man kann durch die bekannten Maßnahmen von verpflichtenden Schutzmasken, Mindestabstand und höchste Anzahl von Kunden in einem Geschäft annehmen, dass kommende Wahlen einem enormen Ressourcenaufwand entgegensteuern. Apps, die erfolgreich mit personenbezogenen Daten arbeiten, könnten Wegweiser dafür sein, wie zukünftige Wahlen gestaltet werden. Die in Vergessenheit geratene Möglichkeit einer elektronischen Stimmabgabe wäre jetzt relevanter denn je. Die sogenannte „Neue Normalität“ soll nicht ausschließlich Beschränkungen mit sich bringen. Wir gestalten uns unsere Vorstellung von Normalität und haben jetzt die Chance, eine „neue Normalität“ in vielen Bereichen zu etablieren. Kritisch zu betrachten sind die Fragen, inwieweit diese Apps in der möglichen Umsetzung wirklich die Ergebnisse liefern, die sie anstreben. Ist die sichergestellte Freiwilligkeit für solche Apps genau das Argument, dass deren Erfolg vereitelt? Könnten Teile unserer Grundrechte vorübergehend aus Solidarität einkassiert werden, um solche Apps verpflichtend zu machen? Mit Spannung werden wir die noch nicht absehbaren Antworten und Entwicklungen auf all diese Fragen verfolgen.

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Annalena Hassler

Annalena Hassler (23) ist gebürtige Vorarlbergerin und Lehramtsstudentin für die UF Deutsch und Psychologie sowie Philosophie an der Universität Wien. Für SichtWeisen möchte sie unter anderem auf aktuelle politische und soziokulturelle Themen eingehen, allen voran auf innovative Konzepte und alternative Überlegungen und die Frage, ob und wie diese den Bodenseeraum beeinflussen können.

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