«In der Schweiz sind rund 42 Prozent der erwachsenen Bevölkerung übergewichtig, davon sind 11 Prozent adipös [fettleibig, Anm. d. Red.]», heisst es auf der Seite des schweizerischen Bundesamts für Gesundheit. In England sieht es inzwischen schlimmer aus: angesichts der Übergewichtigkeit von zwei Dritteln seiner Bevölkerung setzt Boris Johnson, Premierminister des Vereinigten Königreichs, nun auf ein Schlankheitsprogramm des britischen Gesundheitssystems NHS. «Wenn du dein Gewicht etwas reduzieren kannst, wirst du deine Gesundheit und die NHS schützen», lässt er die Bevölkerung wissen. Dies vermutlich auch vor dem Hintergrund, dass übergewichtige Menschen, die sich mit Covid-19 angesteckt hatten, relativ gesehen knapp dreimal so oft auf der Intensivstation landeten wie «normalgewichtige» Menschen. Doch ist ein solches Behördenprogramm der richtige Weg?
Gesundheit geht uns alle an
Gesundheitsprogramme sind nichts Neues. Die WHO rechnet vor, dass bei einer Preiserhöhung der Softdrinks von mindestens 20 % der Konsum proportional dazu sinkt und Gesundheitsrisiken minimiert werden. Umgekehrt führt eine Reduktion der Frucht- und Gemüsepreise um 10-30 % zu einer besseren Nahrungsweise. Da stellt sich die Frage, ob es dem Staat zustehen soll, einzelne Zutaten als gesund oder ungesund einzustufen und sie dementsprechend zu besteuern. Man könnte nun argumentieren, dass es den Staat nichts angeht, was man zu sich nimmt. Obwohl das im Prinzip stimmt, sind die europäischen Gesundheitssysteme auf öffentlicher Basis konzipiert, womit die Allgemeinheit die Kranken finanziert. Es geht also alle etwas an, was man isst – spätestens dann, wenn es ums Geld geht.
Die Zuckerfalle
Ein besonders umstrittener Rohstoff ist der Zucker. Man möchte sich den gelegentlichen Genuss von Schokolade und anderen Leckereien nicht nehmen lassen. Allerdings steckt Zucker längst nicht nur dort, wo man ihn auch vermutet und den Konsum gezielt reduzieren kann: Fruchtjoghurts, gezuckerte Cornflakes, Müsliriegel und sogar Smoothies enthalten alle Zuckerzusatz. Dies ist ein Grund dafür, weshalb vielerorts der Zuckerkonsum um ein Vielfaches höher liegt als der von der WHO angesetzte Richtwert für eine ausgewogene Ernährung. Eine Zuckersteuer ist in vielen europäischen Ländern deswegen Realität und wurde auch schon im Bodenseeraum diskutiert.
Das vergebliche Warten auf die Vernunft
Man würde sicherlich gut daran tun, bei jedem Produkt nachzuschauen, ob es Zucker enthält und im eigenen Interesse sich für gesündere Alternativen zu entscheiden. Allerdings hat sich der Body-Mass-Index (BMI), zumindest in der Schweizer Bevölkerung, auf einem hohen Niveau stabilisiert, und Appelle an die Eigenverantwortung scheinen zu verhallen. Deshalb wird nun auf Regulierung gesetzt. Es steckt also etwas dran, am Vorwurf des immer grösser werdenden Nanny States, des überfürsorglichen Staats. Aus diesem Grund sollte ein gesundes Mittelmass zwischen dem Verbot ungesunder Lebensmittel und dem ungehemmten Konsum erreicht werden. Derzeit wird an einem Ampelsystem für Nahrungsmittel getüftelt, das die Gesundheitsauswirkungen aufzeigt. Vielleicht würde dies Aufrufe wie denjenigen von Boris Johnson überflüssig machen, obwohl es vielleicht hin und wieder nicht schadet, an die eigene Gesundheit erinnert zu werden.
Auch als Liberaler, der ansonsten sehr skeptisch gegenüber staatlichen Eingriffen ist, ist für mich die Frage berechtigt. Gerade weil sich der Staat ganz erheblich an den Gesundheitskosten beteiligt.