Jährlich küren verschiedene Rankings die „lebenswertesten“ Städte der Welt, wobei vor allem Wien und Zürich immer wieder zu den Spitzenreitern gehören. Doch was macht eine Stadt eigentlich „lebenswert“? Neben grundlegenden Kriterien wie Sicherheit und Gesundheit fliessen viele weitere Faktoren in die Bewertungen ein. Bei den meisten Rankings werden Kultur- und Freizeitangebote berücksichtigt. Die Deutsche Bank verwendet einen Umweltverschmutzungsindex bei ihren Berechnungen und das Lifestylemagazin Monocle nennt sogar Faktoren wie Architektur und Nachtleben. Die Stadt des 21. Jahrhunderts hat also Ansprüche zu erfüllen, die weit über die blosse Deckung von Grundbedürfnissen hinausgehen.
Ländliche Vorteile in der Stadt…
Diese höheren Ansprüche bringen Vorteile in die Stadt, die früher nur auf dem Land zu finden waren. Dazu gehören etwa Natur- und Erholungsräume, vielfältige Sport- und Freizeitmöglichkeiten, Ruhe vor Trubel und Verkehr sowie saubere Luft. Dadurch entsteht das Idealbild einer lebenswerten Stadt, die traditionell urbane und ländliche Aspekte in sich vereint. In der Bodenseeregion lässt sich dieser Trend gut beobachten. Hier verbinden sich Stadt und Land zu einem gemeinsamen Lebensraum. So wird im Imagefilm von Konstanz ein starker Fokus auf ländliche Aspekte gelegt, um die Stadt als hochwertigen Lebensraum darzustellen, während aber auch städtische Aspekte wie Kunst und Kultur nicht ausgelassen werden.
Andere Städte zeigen sich von einer ähnlichen Seite. So propagiert Bregenz seine Lebensqualität mit Sätzen wie „Big City Entertainment in einer Kleinstadt mitten im Grünen erleben.“ Diese Beispiele illustrieren, wie stark die moderne Vorstellung einer städtischen Lebensqualität von ländlichen Einflüssen geprägt ist. Doch wie sieht es auf dem Land aus?
… und städtische Vorteile auf dem Land
So, wie der Einfluss ländlicher Vorteile die Lebensqualität der Städte verbessert, könnte der Einfluss städtischer Vorteile wiederum den ländlichen Lebensraum aufwerten. Die Urbanisierung führt nämlich mitunter dazu, dass urbane Aspekte und Lebensweisen auf die umliegende Peripherie ausgebreitet werden. Idealerweise könnte das dazu führen, dass viele städtische Angebote – wie etwa Kunst, Kultur und Arbeitsmöglichkeiten – auch auf dem Land zur Verfügung gestellt werden.
Durch den gegenseitigen Einfluss verschwinden die Grenzen zwischen Stadt und Land sowie die Vorstellungen davon, was die beiden Lebensräume jeweils auszeichnet. Daher wäre es sinnvoll, das bisher städtisch orientierte Konzept der Lebensqualität so umzudenken, dass es auf den gesamten besiedelten Raum anwendbar ist. Dies stünde auch im Sinne des meist verfassungsrechtlich erklärten Ziels, gleiche Chancen und Lebensbedingungen für alle Staatsangehörigen – unabhängig von ihrem Wohnort – zu gewähren. Die Bodenseeregion könnte hier mit gutem Vorbild vorangehen, indem sie eine Erhebung der Lebensqualität organisiert, die den modernen Ranking-Kriterien entspricht und gleichzeitig auch die ländliche Perspektive miteinbezieht.