SichtWeisen

Warum gibt es so wenige Frauen in Führungspositionen?

Der EU-weite Anteil von Frauen in Führungspositionen stieg zwischen 2012 und 2019 nur um 1,2 %. [1] Grund für diesen langsamen Zuwachs ist neben stereotypen Rollenbildern und Familienplanung auch die Arbeitskultur von Unternehmen.

Laut den Daten von Eurostat wird aktuell nur etwa jede dritte Führungsposition von Frauen belegt, obwohl jene mittlerweile fast die Hälfte der arbeitenden Bevölkerung ausmachen. Dies gilt auch für die Staaten rund um den Bodensee, deren Frauenanteile bei Führungskräften etwas unter dem EU-Durchschnitt liegen. In Anbetracht dessen, dass Frauen heutzutage sogar häufiger eine höhere Bildung erfahren als Männer (EU-weit 46 % gegenüber Männern mit 35,2 %), stellt sich die Frage nach den Gründen dieser Ungleichheit. Ein häufig genannter Faktor ist der Konflikt zwischen Karrierebestrebungen und Familienplanung, der besonders Frauen in höheren Arbeitspositionen stark betrifft.

Familienglück vs. Karriereleiter

Gleichberechtigung ist nicht Gleichstellung, sondern allgemeine Entscheidungsfreiheit. Daher sollte es im Idealfall möglich sein, Familie und Arbeit in allen Berufsfeldern zu vereinen. Zu diesem Zwecke sehen die an den Bodensee grenzenden Staaten Massnahmen vor, die darauf abzielen, diese Entscheidungsfreiheit zu gewährleisten, wie etwa Mutterschaftsurlaub oder Elterngeld. Obwohl diese Modelle in vielen Situationen hilfreich sind, scheinen sie speziell in Führungsetagen keine grosse Veränderung herbeigeführt zu haben, wie die vorher angeführten Zahlen nahelegen. Erklären lässt sich dies zum Teil damit, dass auf dem Managmentlevel ganz andere Arbeits- und Anstellungsdynamiken herrschen als bei „normalen“ Jobs. Führungspositionen und gut bezahlte Stellen sind nämlich in den meisten Fällen sehr zeit- und arbeitsintensiv, was eine gleichzeitige Beschäftigung mit der eigenen Familie erschwert.

Konkurrenzkampf und Überstunden

Interne Konkurrenzkämpfe um Beförderungen sowie Überstunden und ständige Erreichbarkeit sind Umstände, unter denen sowohl Frauen als auch Männer in vielen Fällen leiden. Der Unterschied ist aber, dass Frauen häufiger von Instrumenten wie Elternkarenz Gebrauch machen oder dazu getrieben werden, ihre Vollzeitstelle zugunsten einer Teilzeitbeschäftigung aufzugeben. Laut einer Analyse der Harvard Business Review sei dies einer der Hauptgründe dafür, dass die Karriere von Frauen in höheren Positionen „entgleise“. Schuld sei also nicht eine grundsätzliche Unvereinbarkeit von Beruf und Arbeit, sondern eine konkurrenzorientierte Überarbeitungskultur, die insbesondere Frauen oftmals abschrecke. Es kommt erschwerend hinzu, dass auch Frauen ohne Familienpläne manchmal benachteiligt werden, da Arbeitgebende eine künftige Absenz aufgrund von Schwanger- und Mutterschaft befürchten.

Was kann man tun?

Zusätzlich zu bereits existenten sozialpolitischen Bestrebungen, wie etwa der Verbesserung von erschwinglichen Betreuungsmöglichkeiten oder der Karenzzeiten, sollte es ein Ziel der Politik sein, Anreize für flexiblere Unternehmenskulturen zu schaffen. Gleichzeitig sollte man sich im Bildungssektor mehr darum bemühen, das Selbstbewusstsein von Frauen mit Karrierewunsch zu stärken und die Reproduktion von stereotypen Rollenbildern zu vermeiden. Ziel soll dabei aber nicht die Gleichstellung der Geschlechter sein, sondern die Entscheidungsfreiheit eines jeden Individuums.

[1] Die in diesem Artikel verwendeten Daten stammen von Eurostat, dem statistischen Amt der EU, eine Übersicht für Interessierte findet sich hier: https://www.destatis.de/Europa/DE/Thema/Bevoelkerung-Arbeit-Soziales/Arbeitsmarkt/Qualitaet-der-Arbeit/_dimension-1/08_frauen-fuehrungspositionen.html

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Matthias Fleischmann

Matthias Fleischmann (24) kommt aus Südtirol, lebt derzeit in Innsbruck und studiert dort Politik und Literatur. Wenn er ziellos spazieren geht, landet er geheimnisvollerweise immer an einem Ufer. In der Bodenseeregion vereint sich seine Liebe zu Berg und Wasser. Über die Internationale Sommerakademie für Journalismus und PR der Uni Liechtenstein fand er zu SichtWeisen.

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Unter «SichtWeisen» werden relevante (Zukunfts)Themen von sechs Jungjournalist*innen professionell aufgearbeitet. «Next Generation Bodensee» möchte mit diesem Projekt der nächsten Generation im IBK-Raum eine politische Stimme geben.