Ein kurzer Blick zurück in die Geschichte zeigt, dass sich Politik an gesellschaftliche Entwicklungen anpasst. Wo zuerst ausschliesslich Adeligen das Wahlrecht zustand, besassen die restlichen Bürger*innen durch Schulden beinahe keinerlei politische Rechte. Nach Unruhen wurden daraufhin Gesetze erlassen und die Bürger*innen von den Schulden befreit, um politische Mitsprache zu ermöglichen. Der Anfang der modernen Demokratie ist geprägt von der Einführung der Gewaltenteilung, was den Weg für Parteien ebnete, wie wir sie heute kennen.
Die Gesellschaft ist der wichtigste Koalitionspartner
Die Gesellschaft gestaltet unser Leben und die Politik also aktiv mit. Auch in der heutigen Zeit sind viele wichtige politische Veränderungen aus der Gesellschaft heraus entstanden, als Beispiel die Frauenrechtsbewegungen oder die rechtliche Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare. Politisches Mitspracherecht der Bevölkerung in einer Demokratie ist kein Zugeständnis oder Privileg, sondern ein Recht. Doch reicht es ausschliesslich alle paar Jahre ein Kreuz zu machen, um Parteien zu wählen, die die Interessen der Bevölkerung vertreten und Entscheidungen für eben diese treffen? Es stellt sich die Frage, wie sich die „Koalition“ von Gesellschaft und Parteien weiterentwickeln kann.
Wie repräsentativ ist repräsentative Demokratie eigentlich?
Aktuell werden Parteien gewählt, damit sie die unterschiedlichen Interessen der Bevölkerung vertreten sollen. Doch wie repräsentativ ist eine Partei, die nicht den Anliegen ihrer Wählerinnen und Wähler Rechnung trägt, sondern die eigenen parteipolitischen Interessen in den Vordergrund stellt und diese ohne Absprache mit der Bevölkerung umsetzt? Ein einmaliges Kreuz auf einer Wahlkarte sollte nicht als bedingungsloses Abnicken aller möglichen Vorhaben betrachtet werden. Die Aufrechterhaltung bestehender Machtverhältnisse scheint für die meisten Parteien oberstes Gebot zu sein. Doch immer mehr Menschen verstehen, dass mit ihnen Politik gemacht wird und nicht für sie. Parteien müssen daher einen neuen Zugang finden, der der Gesellschaft mehr politisches Mitspracherecht ermöglicht.
Wegweiser für die „Koalition“ von Gesellschaft und Parteien im 21. Jahrhundert
Das Fürstentum Liechtenstein und die Schweiz beispielsweise ermöglichen seiner Bevölkerung erweiterten politischen Einfluss – es gibt direktdemokratische Verfahren, Initiativen können in das Parlament gebracht werden, Volksabstimmungen und Referenda ermöglichen aktive politische Mitbestimmung. Neben dem Fürsten von Liechtenstein ist das Volk Träger der Souveränität, in der Schweiz erfüllt allein die Bevölkerung diese souveräne Funktion und hat die Möglichkeit, in Sachfragen abschliessend entscheiden zu können, diese Entscheidungen spielen eine tragende Rolle bei der Beschliessung von Gesetzen. Aktuell konnte die Schweizer Bevölkerung zum einen darüber abstimmen, ob die Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten verboten werden soll und zum anderen, ob und wieweit Konzerne verpflichtet sind Menschenrechte und umweltschonende Standards einzuhalten und wie die Haftung aussehen soll. Auch wenn mehr politischer Einfluss mehr Verantwortung bedeutet, ist die Möglichkeit, durch politisches Mitspracherecht aktiv eine friedvollere und nachhaltigere Gesellschaft mitzugestalten, wertvoll. Viele Menschen sind bereit, auch ausserhalb der Schweiz und Liechtensteins diese Verantwortung zu übernehmen.
Sehr interessant! Spannend finde ich auch, ob es Menschenpflichten geben sollte, für jene, die Menschenrechte einfordern. Wurde unlängst recht kompakt in einem Buch von Karl Stickler diskutiert.
LG Nathalie
Spannender Beitrag! Wichtig wäre zu überlegen, ob das Stimm- und Wahlrecht nicht mehr an die Nationalität geknüpft werden soll, sondern ans Wohnsitzprinzip.