SichtWeisen
Foto von Anete Lusina von Pexels

Zwei Aspekte der Meinungsfreiheit

Beschäftigt man sich mit verschiedenen Freiheitsbegriffen, so stößt man unweigerlich auf die durch Isaiah Berlin prominent gewordene Zweiteilung in negative und positive Freiheit. Dabei bezeichnet erstere ein Freisein von Einschränkungen und Zwängen im Zusammenhang mit Meinungsfreiheit, also die Freiheit vor Zensur oder Mundtotmachung. Letztere hingegen beschreibt nicht eine Freiheit von, sondern eine Freiheit zu etwas. Positive Meinungsfreiheit würde etwa denjenigen zuteil, die nicht nur ohne Einschränkungen ihre Meinung kundtun dürfen, sondern auch die tatsächlichen Mittel dazu haben.

Freiheit vor Einschränkungen und Zwängen

In Deutschland, Österreich, Liechtenstein und der Schweiz ist die negative Meinungsfreiheit verfassungsrechtlich verankert. Das heißt, dass die Meinung von Individuen hier anerkannt und vor staatlicher Zensur geschützt wird – mit einigen wenigen Vorbehalten. Doch wie in allen anderen Staaten gibt es auch hierzulande Einschränkungen der Meinungsfreiheit, die nicht von staatlicher Seite kommen sondern vonseiten der Zivilgesellschaft. Besonders bei moralisch und emotional empfindlichen Fragestellungen werden häufig Forderungen nach öffentlicher Ächtung und Zensur von Meinungen laut.

Dabei ist es gerade die Reibung an den Grenzen des Sagbaren, die den gesellschaftlichen Diskurs weiterentwickeln kann. Daher ist es wichtig, dass die Rahmenbedingungen öffentlicher Debatten einen Meinungspluralismus zulassen. Hier kommt die positive Meinungsfreiheit ins Spiel, die Einzelpersonen mit den nötigen Mitteln ausstattet, um ihre Meinung in der Öffentlichkeit kundtun zu können und damit zu einer Pluralisierung beizutragen.

Freiheit zur Meinungsbildung und Meinungsäußerung

Während von der Politik bei negativer Meinungsfreiheit vor allem vorsichtige Zurückhaltung gefordert wird, gibt es bei positiver Meinungsfreiheit einige Anknüpfungspunkte für mögliche Verbesserungen. Einerseits zählen dazu jene Aspekte, die es dem Individuum ermöglichen, eine faktenorientierte Meinung zu bilden. Zu diesem Zwecke wäre es etwa förderlich, die Vermittlung methodischer Fähigkeiten und kritischen Denkens an den Schulen zu verbessern. Andererseits gilt es sicherzustellen, dass es ein möglichst großes Angebot an Informations- und Partizipationsmöglichkeiten am öffentlichen Diskurs gibt. Dazu braucht es insbesondere zwei Dinge: eine offene und pluralistische Medienlandschaft sowie eine möglichst uneingeschränkte Informationsfreiheit, welche nicht nur den Zugang zu Tatsachen und Faktenwissen umfasst, sondern auch den Zugang zu den Meinungen anderer.

Während sich die Zivilgesellschaft darüber streitet, was nun knapp vor oder knapp hinter der Grenze des Sagbaren liegt, sollte sich die Politik der Bodenseeregion also darum kümmern, dass dieser Streit in einem produktiven und pluralistischen Rahmen stattfindet, indem sie die negative Meinungsfreiheit weiterhin garantiert und die positive Meinungsfreiheit fördert.

image_pdfDownload als PDF

Matthias Fleischmann

Matthias Fleischmann (24) kommt aus Südtirol, lebt derzeit in Innsbruck und studiert dort Politik und Literatur. Wenn er ziellos spazieren geht, landet er geheimnisvollerweise immer an einem Ufer. In der Bodenseeregion vereint sich seine Liebe zu Berg und Wasser. Über die Internationale Sommerakademie für Journalismus und PR der Uni Liechtenstein fand er zu SichtWeisen.

Jetzt zum monatlichen Newsletter anmelden!

SichtWeisen – ein Projekt der IBK

Unter «SichtWeisen» werden relevante (Zukunfts)Themen von sechs Jungjournalist*innen professionell aufgearbeitet. «Next Generation Bodensee» möchte mit diesem Projekt der nächsten Generation im IBK-Raum eine politische Stimme geben.